Fahrrad und E-Bike als Teil einer zukunftsfähigen Mobilität

14. ADFC Mittagsgespräch mit ZIV-Geschäftsführer Siegfried Neuberger

Der Zweirad-Industrie-Verband e.V. (ZIV) ist die nationale Interessensvertretung der deutschen und internationalen Fahrrad-/E-Bike, Komponenten- und Zubehörindustrie und vertritt damit rund 80% der deutschen Fahrradindustrie. Diese ist mit 3,8 Mio. verkauften Fahrrädern in 2013 ein durchaus wichtiger Wirtschaftszweig. Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verband e.V., gab beim 14. ADFC Mittagsgespräch einen Einblick in die Branche. Im Zentrum seines Vortrages standen weltweite Megatrends und deren Auswirkungen auf unser Mobilitätsverhalten sowie die Frage, wie Fahrrad und E-Bike Teil einer zukunftsfähigen Mobilität werden können und welche Herausforderungen damit verbunden sind.

Als Einstieg in seinen Vortrag gab Neuberger eine kurze Übersicht über die Marktentwicklung bzw. Fahrradproduktion in Deutschland, die trotz leichtem Rückgang der Stückzahlen im Jahr 2013 mit 2,16 Mio. Stück und gestiegenen Umsatz relativ konstant blieb. Dabei seien E-Bikes in der deutschen Produktion ein fester Bestandteil, der Produktionsstandort Deutschland könne sich gegenüber den Importen auch weiterhin gut behaupten, so Neuberger.

Interessant das Verhältnis zwischen Importen und Exporten – laut Statistischem Bundesamt lag die Zahl der Importe von Fahrrädern und E-Bikes bei 2,87 Mio., wovon 50 % aus EU-Ländern kommen. Viele führende Unternehmen der Branche haben Produktionsstätten in Europa. Rund 1,28 Mio. Fahrräder und E-Bikes wurden im Gegenzug von deutschen Herstellern 2013 exportiert, rund 8,3 % mehr als im Vorjahr. Laut Neuberger steige der Exportanteil seit Jahren kontinuierlich.

Wichtiges Thema, für das auch der ADFC im Sinne von Qualität und Verbraucherschutz immer wieder plädiert, ist der Fachhandel. Sein nach wie vor hoher Anteil als Vertriebsweg zeigt, dass der Verbraucher Wert auf Qualität und Beratung legt. „Das E-Bike wird zu dieser Entwicklung auch in Zukunft beitragen“, so die Überzeugung von Neuberger. Denn europaweit ist das E-Bike auf dem Vormarsch, laut Schätzungen von COLIBI/COLIPED wurden im Jahr 2013 rund 1.200.00 E-Bikes verkauft, wobei Deutschland und die Niederlande mit Abstand die größten Märkte in Europa darstellen.

Der Fahrradbestand in Deutschland blieb in 2012/2013 konstant bei rund 71 Mio. Stück – was sich lt. Neuberger geändert habe, sei, dass die Alltagsnutzung der Fahrräder zunehme.

„Demographics, Globalization & Future Markets, Scarcity of Resources, Climate Change, Technology, Knowledge Society and Global Responsibility" hat das Roland Berger Trend Compendium 2030 als Megatrends der Zukunft ausgemacht. Bei einem Blick auf diese Megatrends und Herausforderungen, zeige sich, so Neuberger, dass 3 von 7 dieser Megatrends das Fahrrad direkt betreffen.

Bedingt durch den demographischen Wandel werden 59% der Weltbevölkerung 2030 in Städten leben, im Jahr 2050 sogar 85 %, so die Prognose. Damit steigt der Flächenbedarf enorm – bisherige Verkehrskonzepte sind bereits heute überholt bzw. nicht kompatibel mit der Herausforderung, konstatiert Neuberger. Da man gleichzeitig wisse, dass 90% aller Wege in der Stadt unter 6 km lägen, biete das Fahrrad hier große Chancen als Lösungsanbieter.

Ressourcenknappheit ist der zweite Trend, der neue Argumente für die Nutzung von Fahrrad und E-Bike bringt. So werde der weltweite Energiebedarf um knapp 30 % steigen und die Entwicklungsländer werden bis zum Jahr 2030 knapp 80% mehr Energie verbrauchen als die entwickelten Länder. Erdöl wird knapper, was den Autoverkehr als bisher überwiegend erdölgebundene Mobilitätsform deutlich teurer werden lässt. Laut Neuberger bietet das die Chance für die Fahrradbranche, neue Lösungen anzubieten und relativ schnell umzusetzen.

Ebenfalls Bezug zur Fahrradbranche habe der Klimawandel mit seinen Auswirkungen. Schon heute ist beispielsweise die CO2-Konzentration in der Atmosphäre 30% höher als vor der industriellen Revolution – Tendenz steigend.

Zur Frage was das alles mit dem Fahrrad und E-Bike zu tun habe, führte Neuberger an:

„Fahrrad und E-Bike bieten Lösungen, weil Radfahren gut für die Gesundheit ist, weniger Stress verursacht, es einen Rollenwandel bei der Funktion des Autos gibt und das Fahrrad Klima und Ressourcen schont“. Außerdem sei das Fahrrad auf Strecken bis zu fünf Kilometern das schnellste Verkehrsmittel und Radverkehr sei am flächeneffizientesten. Hinzu komme, dass Investitionen in den Radverkehr deutlich niedriger seien, als in den PKW-Verkehr. Dennoch sei die Frage berechtigt, ob Fahrrad und E-Bike wirklich Teil einer zukünftigen Mobilität seien, oder ob wir uns da etwas vormachen.

Ein Indiz, dass Fahrrad und E-Bike Relevanz haben, sei, dass „Global Player“ wie Bosch, Porsche, BMW, Continental und andere inzwischen in den Fahrradmarkt eingestiegen seien. Weiteres Indiz, stellte Neuberger fest, sei das große Medieninteresse – abseits der „üblichen“ Radthemen. Und auch der Verbraucher frage das „Thema“ nach. Fahrradtourismus zähle zu den beliebtesten Urlaubsbeschäftigungen, rund 54% der Deutschen fahren mind. 1 x pro Woche Rad und greifen aufs Fahrrad zurück um alltägliche Dinge zu erledigen.

Dringenden Handlungsbedarf sah Neuberger bei der Politik – so investiere die EU nur 0,7 % der Finanzmittel in die Fahrradförderung und umfassende Konzepte seien rar.

Damit das Fahrrad noch stärker als Teil der Alltagsmobilität genutzt werde brauche es 4 Punkte – Vernetzung – Sicherheit – Diebstahlschutz und Informationskampagnen.

„Es ist so einfach, mit weniger Investitionen als im Vergleich zum Auto mehr Output (Infrastruktur, Ampelschaltungen etc.) zu erzielen“, so das Fazit Neubergers. Ob Berlin, Kopenhagen, Amsterdam oder hunderte weitere Städte rund um den Globus – die urbane Welt strebe zurück zum Fahrrad, aber es seien gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich, um dem Fahrrad zum Durchbruch als relevantes Verkehrsmittel zu verhelfen.

Text: Petra Husemann-Roew

 

 

 

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